Debate : Zen und Krieg
Als Antwort auf das Buch «Zen, Nationalismus und Krieg» von Brian Victoria und auf die Anschuldigungen, am Zweiten Weltkrieg teilgenommen und ihn unterstützt zu haben, die darin gegen das japanische Zen, einschliesslich Kodo Sawaki, vorgebracht werden, eröffnen wir hiermit eine Debatte zu diesem Thema.
Es geht nicht darum, den Standpunkt des Zen fünfzig Jahre nach diesen Ereignissen anzugreifen oder zu verteidigen – das halten wir für nicht sehr nützlich. Der wichtige Punkt besteht darin, das Verhalten in jener Zeit zu untersuchen und zu verstehen, und vor allem, davon ausgehend unsere eigene Praxis von hier und jetzt tief zu betrachten. Worauf müssen wir achten, damit solche Entgleisungen weder im Grossen noch im Kleinen je wieder geschehen? Was müssen wir in unserer Praxis und Unterweisung entwickeln, worauf müssen wir unsere Aufmerksamkeit lenken, damit solche Irrtümer sich nicht wieder ereignen?
Die Personen, die hier ihre Meinung äussern, tun dies in ihrem eigenen Namen.
Der Präsident
Um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten von Roland Rech1. Selbst wenn Zazen die Erweckung ist, so ist diese Verwirklichung weder andauernd noch endgültig. Es ist unsere Aufgabe, unsere falschen Vorstellungen ständig zu durchleuchten, wie auch immer unsere Position und unsere Funktion in der Sangha ist. Meister Deshimaru hat mir das durch sein lebendiges Beispiel vermittelt. Die Schriften von Meister Kodo Sawaki zeigen oft seine Reue; es ist bedauerlich, dass B. Victoria diese Äusserungen verzerrt zitiert hat, um seinen Anklagen Nahrung zu geben. So sagt er z.B., in ‚Homeless Kodo‘, Seite 9, bezüglich seiner Aktivitäten als Soldat während des Russisch-Japanischen Krieges von 1904 – 1905: „Als Hitzkopf hatte ich nicht meinesgleichen.„ Und er fügt hinzu: „Das ist lediglich die Grossartigkeit eines Mori no Ishimatsu (ein für seine Kapriolen bekannter Spieler).„ Oder auf Seite 19: „Die Leute sprechen oft von Loyalität, aber ich frage mich, ob sie die Richtung ihrer Loyalität und ihrer Handlungen kennen. Ich war selbst Soldat während des Russisch-Japanischen Krieges, und ich habe hart auf dem Schlachtfeld gekämpft. Aber da wir das, was wir gewonnen haben, wieder verloren, sehe ich, dass das, was wir machten, nutzlos war. Es gibt absolut keine Notwendigkeit dafür, Krieg zu führen.„ Schliesslich Seite 21: „Ob der Krieg gross oder klein ist, die Wurzel dafür ist in unserem Geist, der die Tendenz hat, hinter anderen herzubellen.„ Diese Äusserungen zeigen strenge Kritik dem kriegerischen Geist gegenüber, und sie sind zahlreich in den Werken von Kodo Sawaki. Dass sie zu anderen Äusserungen in Widerspruch stehen, zeigt uns die Notwendigkeit, äusserst wachsam zu sein.
2. Der Geist der Samurai hat manchmal auf das Zen auf Kosten des Geistes des Mitgefühls, der das Herzstück der Lehre Buddhas ist, und des Wohlwollens gegenüber allen lebenden Wesen abgefärbt. Aus diesem Grunde habe ich bereits vor sieben Jahren im Dojo der Gendronnière die Kannon-Statue wieder aufstellen lassen, damit wir alle nicht vergessen, dass das Schwert der Weisheit von Manjusri ohne das wohlwollende Mitgefühl von Kannon nur zu Irrtümern führen kann. Die Enthüllungen des Buches von B. Victoria bestätigen uns, wie wichtig es ist, das Mitgefühl im Zentrum unserer Praxis und Lehre aufrecht zu erhalten.
3. Wir dürfen Zen nicht auf die Färbung reduzieren, die es über den Weg nach Japan erhalten hat. Zazen ist die Rückkehr zur Praxis von Shakyamuni, und diese Praxis war zuerst indisch, dann chinesisch, und schliesslich japanisch. Sie ist jetzt universell. Wenn man sich mit dem Leben und der ursprünglichen Unterweisung Buddhas vertraut macht, kann man sich ihn mit seinem Kesa, seiner Mönchsschale oder auch die Blume zwischen den Fingern drehend vorstellen, aber sicher nicht säbelschwingend oder bombenwerfend. Im Zweifelsfalle frage ich mich oft: Wie hätte Buddha hier und jetzt gehandelt?
4. Die Geschichte Japans seit der Meiji-Epoche zeigt neben vielen anderen ähnlichen Geschichtsabschnitten, dass, sobald sich eine spirituelle Praxis als Kirche institutionalisiert, sie früher oder später damit endet, sich mit der Macht zu verbinden, um ihre Interessen zu vertreten und um den Rückgriff auf Gewalt zu rechtfertigen, auf das Risiko hin, ihr Ideal zu verraten. Die beste Art, dies zu vermeiden, besteht darin, diese Institutionalisierung zu verhindern; und wenn ein Minimum von Strukturen notwendig ist, sollten wir immer denken, dass es besser ist, die Dojos oder Tempel zu verlieren als den Weg Buddhas zu verraten.
5. Die Buddhas haben die Leerheit unterwiesen, um uns zu helfen, uns von unseren Verhaftungen zu befreien. Aber sich der Leerheit zu verhaften führt in eine Sackgasse, wie Bodhidharma betonte. Diese Leerheit würde nur einen moralischen Nihilismus unterstützen. Sie ist aber die gegenseitig voneinander abhängige Existenz aller Wesen, deren Bewusstsein Quelle der Solidarität, des Mitgefühls und der Achtung ist. Die Gebote Buddhas drücken dies aus, um aufklärend auf unser Leben einzuwirken. Das erste unter ihnen ist, nicht zu töten, sondern im Gegenteil, jedes Leben zu beschützen. Wir sollten dies niemals vergessen.
Roland Rech
Copyright 2004 © by Netzwerk engagierter Buddhisten
Es geht nicht darum, den Standpunkt des Zen fünfzig Jahre nach diesen Ereignissen anzugreifen oder zu verteidigen – das halten wir für nicht sehr nützlich. Der wichtige Punkt besteht darin, das Verhalten in jener Zeit zu untersuchen und zu verstehen, und vor allem, davon ausgehend unsere eigene Praxis von hier und jetzt tief zu betrachten. Worauf müssen wir achten, damit solche Entgleisungen weder im Grossen noch im Kleinen je wieder geschehen? Was müssen wir in unserer Praxis und Unterweisung entwickeln, worauf müssen wir unsere Aufmerksamkeit lenken, damit solche Irrtümer sich nicht wieder ereignen?
Die Personen, die hier ihre Meinung äussern, tun dies in ihrem eigenen Namen.
Der Präsident
Um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten von Roland Rech1. Selbst wenn Zazen die Erweckung ist, so ist diese Verwirklichung weder andauernd noch endgültig. Es ist unsere Aufgabe, unsere falschen Vorstellungen ständig zu durchleuchten, wie auch immer unsere Position und unsere Funktion in der Sangha ist. Meister Deshimaru hat mir das durch sein lebendiges Beispiel vermittelt. Die Schriften von Meister Kodo Sawaki zeigen oft seine Reue; es ist bedauerlich, dass B. Victoria diese Äusserungen verzerrt zitiert hat, um seinen Anklagen Nahrung zu geben. So sagt er z.B., in ‚Homeless Kodo‘, Seite 9, bezüglich seiner Aktivitäten als Soldat während des Russisch-Japanischen Krieges von 1904 – 1905: „Als Hitzkopf hatte ich nicht meinesgleichen.„ Und er fügt hinzu: „Das ist lediglich die Grossartigkeit eines Mori no Ishimatsu (ein für seine Kapriolen bekannter Spieler).„ Oder auf Seite 19: „Die Leute sprechen oft von Loyalität, aber ich frage mich, ob sie die Richtung ihrer Loyalität und ihrer Handlungen kennen. Ich war selbst Soldat während des Russisch-Japanischen Krieges, und ich habe hart auf dem Schlachtfeld gekämpft. Aber da wir das, was wir gewonnen haben, wieder verloren, sehe ich, dass das, was wir machten, nutzlos war. Es gibt absolut keine Notwendigkeit dafür, Krieg zu führen.„ Schliesslich Seite 21: „Ob der Krieg gross oder klein ist, die Wurzel dafür ist in unserem Geist, der die Tendenz hat, hinter anderen herzubellen.„ Diese Äusserungen zeigen strenge Kritik dem kriegerischen Geist gegenüber, und sie sind zahlreich in den Werken von Kodo Sawaki. Dass sie zu anderen Äusserungen in Widerspruch stehen, zeigt uns die Notwendigkeit, äusserst wachsam zu sein.
2. Der Geist der Samurai hat manchmal auf das Zen auf Kosten des Geistes des Mitgefühls, der das Herzstück der Lehre Buddhas ist, und des Wohlwollens gegenüber allen lebenden Wesen abgefärbt. Aus diesem Grunde habe ich bereits vor sieben Jahren im Dojo der Gendronnière die Kannon-Statue wieder aufstellen lassen, damit wir alle nicht vergessen, dass das Schwert der Weisheit von Manjusri ohne das wohlwollende Mitgefühl von Kannon nur zu Irrtümern führen kann. Die Enthüllungen des Buches von B. Victoria bestätigen uns, wie wichtig es ist, das Mitgefühl im Zentrum unserer Praxis und Lehre aufrecht zu erhalten.
3. Wir dürfen Zen nicht auf die Färbung reduzieren, die es über den Weg nach Japan erhalten hat. Zazen ist die Rückkehr zur Praxis von Shakyamuni, und diese Praxis war zuerst indisch, dann chinesisch, und schliesslich japanisch. Sie ist jetzt universell. Wenn man sich mit dem Leben und der ursprünglichen Unterweisung Buddhas vertraut macht, kann man sich ihn mit seinem Kesa, seiner Mönchsschale oder auch die Blume zwischen den Fingern drehend vorstellen, aber sicher nicht säbelschwingend oder bombenwerfend. Im Zweifelsfalle frage ich mich oft: Wie hätte Buddha hier und jetzt gehandelt?
4. Die Geschichte Japans seit der Meiji-Epoche zeigt neben vielen anderen ähnlichen Geschichtsabschnitten, dass, sobald sich eine spirituelle Praxis als Kirche institutionalisiert, sie früher oder später damit endet, sich mit der Macht zu verbinden, um ihre Interessen zu vertreten und um den Rückgriff auf Gewalt zu rechtfertigen, auf das Risiko hin, ihr Ideal zu verraten. Die beste Art, dies zu vermeiden, besteht darin, diese Institutionalisierung zu verhindern; und wenn ein Minimum von Strukturen notwendig ist, sollten wir immer denken, dass es besser ist, die Dojos oder Tempel zu verlieren als den Weg Buddhas zu verraten.
5. Die Buddhas haben die Leerheit unterwiesen, um uns zu helfen, uns von unseren Verhaftungen zu befreien. Aber sich der Leerheit zu verhaften führt in eine Sackgasse, wie Bodhidharma betonte. Diese Leerheit würde nur einen moralischen Nihilismus unterstützen. Sie ist aber die gegenseitig voneinander abhängige Existenz aller Wesen, deren Bewusstsein Quelle der Solidarität, des Mitgefühls und der Achtung ist. Die Gebote Buddhas drücken dies aus, um aufklärend auf unser Leben einzuwirken. Das erste unter ihnen ist, nicht zu töten, sondern im Gegenteil, jedes Leben zu beschützen. Wir sollten dies niemals vergessen.
Roland Rech
Copyright 2004 © by Netzwerk engagierter Buddhisten
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