Sangha – Gemeinschaft leben
Sangha – Gemeinschaft leben
Buddhismus, das Sanghanetz und der BERLINER
Alternativen zum allgemeinen Sozial- und Politikfrust
"Arbeitskreis Buddhismus und Ökonomie" in der Buddhistischen Akademie Berlin:
Die wechselseitige Abhängigkeit aller Wesen, Dinge und Phänomene gehört zu den grundlegenden Einsichten des Buddhismus. Darum sieht er das Ich, im Sinne einer vom "Rest der Welt" getrennten, dauerhaften, aus sich und für sich existierenden Einheit, als eine Täuschung. Diese Illusion - lehrt Buddha - ist die Quelle vielfältigen Leidens der Menschen und anderer Lebewesen.
Buddha gewann seine Erkenntnisse vor 2500 Jahren noch in lokalen, überschaubaren Zusammenhängen. Helena Norberg-Hodge, die Leiterin der International Society for Ecology and Culture verweist darauf, dass es damals einfacher war, die universelle Abhängigkeit der Lebewesen wahrzunehmen und das Zusammenwirken von Mensch, Kultur und Natur zu begreifen: "Tatsächlich handelt der Buddhismus vom Leben. Er handelt vom ununterbrochenen Wandel in den Naturkreisläufen: Geburt und Tod, Freude und Leid, eine sich öffnende Blüte, das Zu- und Abnehmen des Mondes; er handelt von der Vergänglichkeit und wechselseitigen Abhängigkeit, die alles Leben charakterisieren." (Helena Norberg-Hodge, Buddhism in the Global Economy, Internet-Text, eigene Übers.; S. 1f)
Heute dagegen prägen Hochtechnologie, globale Wirtschaftsstrukturen und eine umfassende Medienbeeinflussung unser Leben. Das lässt uns die Folgen unseres Denkens und Handelns für Natur und Menschen kaum mehr wahrnehmen. Der Ökonom E.F. Schumacher warnte 1973 in seinem berühmt gewordenen Buch "Small is beautiful": "Die Ökonomie des Gigantismus und der Automation ist ein Überbleibsel der Bedingungen und des Denkens im 19. Jahrhundert. Sie ist total unfähig, auch nur eines der wirklichen Probleme von heute zu lösen." (E.F. Schumacher, Small is beautiful, 1973, S. 74). Schumacher mahnte, sich im Kampf gegen Elend und Erniedrigung nicht auf Staaten, Konzerne und andere anonyme Institutionen zu stützen, sondern stattdessen unmittelbar an den Erfahrungen, dem Wissen, den Bedürfnissen und der Selbstverantwortung der lokalen Bevölkerung anzuknüpfen. Er forderte eine Rückkehr der Wirtschaft, Technologie und Politik zum menschlichen Maß. Vor ihm hatte schon der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Leopold Kohr die von immer neuen Katastrophen geprägte Ausweglosigkeit der Großökonomie analysiert und vorhergesagt.
Die wechselseitige Abhängigkeit und die Krise
Wenn das Ich als eine vom "Rest der Welt" getrennte, dauerhafte Einheit eine leiderzeugende Täuschung ist, kann es uns nicht gleichgültig sein, was in der Stadt passiert, in der wir leben. Wenn wir in Berlin U-Bahn fahren oder durch die Straßen gehen, nehmen wir die Krise überall wahr: immer mehr Menschen sind obdachlos und betteln. Sozialverbände stellen fest, dass zunehmend Jugendliche darunter sind. Ganze Bezirke rund um die Innenstadt sind auf dem Weg der Verödung und Verslumung. Große Handels- und Dienstleistungsketten verdrängen die kleineren Läden und Gewerbetreibenden, Besserverdienende ziehen weg. Nach dem Sozialatlas 2003 des Senats (im Internet zu finden unter: www.berlin.de/sengsv) leben heute in Berlin 533 000 Menschen unter der Armutsgrenze. Jeder sechste Einwohner hat weniger als 608 Euro netto im Monat, ab Januar 2005 – dem Inkrafttreten des "Hartz 4"-Gesetzes – wird dem Berliner Sozialbündnis zufolge jeder vierte Einwohner arm sein.
Armut, solange sie nicht selbst gewählt ist, bedeutet Leiden. Armut grenzt aus, erzeugt Angst und Frustration, Wut und Hass, belastet die Familien, bereitet den Boden für Gewalt, Kriminalität, Fanatismus, Fundamentalismus, soziale und rassistische Spannungen (auf all das hatte Buddha schon vor 2500 Jahren hingewiesen). Außerdem macht Armut krank: Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt in Kreuzberg bei 74,7 Jahren, im wohlhabenden Treptow dagegen bei 79,2 Jahren.
Berlin verfügt über immer weniger Geld, um den armen Einwohnern noch ein Leben in Würde zu gewähren. Die BVG (Berliner Verkehrsgesellschaft) hat inzwischen sogar das Sozialticket gestrichen. Bedürftige zahlen für eine Monatskarte statt 20 € jetzt 64 €. Das ist eine Preissteigerung von mehr als 200 %. Auch die Eintrittspreise der öffentlichen Bäder sind in den vergangenen Jahren massiv erhöht worden.
Für die Verarmung der Menschen in Berlin und die Ebbe in den Stadt- und Staatskassen gibt es eine Reihe von Gründen: darunter der unbewältigte Umbruch nach 1989 von einem Industrie- zu einem Dienstleistungsstandort, Missmanagement und Veruntreuung von Steuergeldern durch Politiker und Banker, Wegfall von Unternehmenssteuereinnahmen aufgrund einer nur die Reichen begünstigenden Steuergesetzgebung, übermäßige Verschuldung und nicht zuletzt die wirtschaftliche Globalisierung mit ihrem gnadenlosen Konkurrenzkampf und dem Export von Arbeitsplätzen an "attraktivere" Standorte.
Der Soziologe Mohssen Massarat verwendet für die Krise das Bild einer "imaginären Planierraupe, die auf einer schiefen Ebene des globalen Lohngefälles unterwegs ist und dabei alle politischen und moralischen Schranken niederreißt. Die Liberalisierung der Finanzmärkte, die Privatisierung und Deregulierung aller Lebensbereiche beschleunigen das Tempo dieser Mega-Maschine zusätzlich. (...) Diese Mega-Maschine ist Metapher für eine unsichtbare Diktatur der Reichen, eines neuen Typs kapitalistischer Akkumulation, die für Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung in den Industrieländern, sowie die Hungerlöhne in der Dritten Welt sorgt. Fast unbemerkt zerstört sie demokratische Errungenschaften. Diese Diktatur ist wirkungsvoll und blockiert nicht nur die Weiterentwicklung von Gerechtigkeit und Demokratie, sondern spült deren bis dato aufgebaute Fundamente schleichend weg." (Freitag 15/2004)
Es fällt nicht schwer, den Treibstoff der "Mega-Maschine" auszumachen: Ego-Wahn, Geld- und Profitgier, Konkurrenzdenken und die Herrschaft extremer Ideologien (wie die des Neoliberalismus). "Gier, Hass und Verblendung" sind jene drei Faktoren, die Buddha bereits vor 2500 Jahren die "drei Geistesgifte" nannte und als "Ursache allen Leids" sah. Eben diese beherrschen heute nahezu unsere gesamte Weltzivilisation und zunehmend alle Bereiche der Gesellschaft. Buddhistinnen und Buddhisten können darum dazu beitragen, diesen Prozess zu durchschauen und bei der Suche nach Lösungen zu helfen.
Was kann getan werden?
In den alten Kulturen, so schreiben die Ökonomen Margrit Kennedy und Bernard A. Lietaer in ihrem neuen Buch "Regionalwährungen", griffen die Menschen auf zwei Wege zurück, um ihre Angst vor Naturkatastrophen einzudämmen: Zum einen personifizierten sie die Naturgewalten als Götter, die sie anbeten konnten. Zum anderen bildeten sie Gemeinschaften, um den Wechselfällen des Lebens nicht allein ausgeliefert zu sein. Auch heute ängstigen wir uns vor Kräften, die wir nicht kontrollieren können: Arbeitslosigkeit, Verarmung, Klimawechsel, Globalisierung. Doch wir sind "nicht mehr in der Lage, diese Ängste in die Sprache des Mythos zu kleiden, um sie zu begreifen und so ihrer Herr zu werden. Unsere moderne Gesellschaft hat darüber hinaus das Leben in der Gemeinschaft aufgegeben, was für die Menschen noch vor ein oder zwei Generationen undenkbar war." (Kennedy & Lietaer: Regionalwährungen, München 2004, S. 19)
In Berlin entstehen derzeit zwei Modelle für mehr gegenseitige Hilfe und Verantwortung in Zeiten der Vereinzelung und Verarmung, die wir den Berliner Buddhistinnen und Buddhisten vorstellen und empfehlen möchten.
www.sanghanetz.de
Das "Sanghanetz" ist ein von zwei tibetisch-buddhistischen Zentren initiierter Internet-basierter Kooperationsring für Buddhistinnen und Buddhisten in Berlin und Brandenburg. Das Sanghanetz (Sangha: traditioneller buddhistischer Begriff für Gemeinschaft) will erreichen, dass das große Potential an Fähigkeiten und Möglichkeiten in den zahlreichen buddhistischen Gemeinschaften der Hauptstadtregion intensiver entfaltet und genutzt wird. Das Netzwerk möchte die gegenseitige Hilfe unter den Berliner Buddhisten erleichtern. Ziel ist, dass über die Beziehungen innerhalb der einzelnen Gruppen und Gemeinschaften hinaus jene Menschen zusammenkommen können, die einander auf irgendeine Weise hilfreich sein können. Das Internet-Anzeigenforum soll ermöglichen, die nötigen Kontakte zu knüpfen – sei es für praktische Belange, Studium, Arbeit, gemeinsames Wohnen oder was auch immer. Derzeit sucht Sanghanetz noch Betreuer für die buddhistischen Zentren bzw. die Gruppen, die für alle Personen ohne Internetzugang deren Anzeigen erfassen. Aufgabe der Betreuer wäre auch, wöchentlich Listen der aktuellen Einträge in "ihren" Zentren auszuhängen. Interessierte werden gebeten, sich über die Kontaktseite www.sanghanetz.de zu melden.
Der BERLINER Wertgutschein
Der BERLINER Wertgutschein ist ein Projekt, das in größerem Maßstab gesellschaftlich wirksam werden möchte. Der BERLINER soll Anfang Oktober zunächst rund um den Kollwitzplatz im Bezirk Prenzlauer Berg eingeführt und sukzessive dann auf ganz Berlin und Brandenburg ausgeweitet werden.
Der BERLINER Wertgutschein ist eine Komplementärwährung bzw. ein Regiogeld. Das Konzept der Regional- oder Komplementärwährungen beruht auf der Einschätzung, dass das System der Standardwährungen wie Euro, Dollar oder Yen zunehmend die Einkommensunterschiede verschärft, das gewachsene soziale Kapital (gemeinnützige und soziale Einrichtungen, Kultur, Bildung) zerstört und die globale Spekulation fördert. "Die negativen Seiten der Standardwährung können jedoch nicht innerhalb des Systems selbst korrigiert werden. Ein Komplementärwährungssystem aber, das auf völlig unterschiedlichen Prinzipien beruht (keine Zinsen, lokale und regionale Organisationsstruktur, Förderung des Sozialkapitals und basisdemokratische Entscheidungen), wäre genau dazu in der Lage." (Kennedy & Litaer, Regionalwährungen, München 2004, S. 75)
In den vergangenen zwanzig Jahren stieg die Zahl der Komplementärwährungen weltweit von nahe Null auf über 4000; die meisten – rund 250 – wurden in Japan eingeführt, nachdem das Land Anfang der 1990er Jahre von einer massiven Wirtschaftskrise erschüttert wurde. Das gleiche geschah in den letzten Jahren in Argentinien, nachdem es auf Grund der Politik des Internationalen Währungsfonds (IWF) in den Staatsbankrott geführt wurde. In Deutschland entstand die erste Regionalwährung 2002 im bayrischen Chiemgau. Der "Chiemgauer" hat inzwischen unter Namen wie: "Roland", "Sterntaler", "Kann-Was" usw. in 30 deutschen Gemeinden Nachfolger gefunden.
Angesichts der sich verschärfenden Arbeitslosigkeit und des Abbaus des Sozialstaats breitet sich die Idee der Komplementärwährungen – von den Medien weitgehend ignoriert – schneeballartig immer weiter aus, denn sie ist derzeit die einzig funktionierende Antwort und Alternative zur herrschenden Politik der neoliberalen Globalisierung der Megaökonomie.
Der BERLINER Wertgutschein soll den Euro ergänzen und nur in der Region Berlin-Brandenburg zirkulieren. Der Grund für die Beschränkung auf die Region ist, dass als Folge der wirtschaftlichen Globalisierung immer mehr Geld aus den für Kapitalverwertungsinteressen weniger lukrativen Regionen weggepumpt wird, wo es dann fehlt und zur allgemeinen Verarmung und Verödung führt.
Ein Beispiel: Verschenkt man an einer beliebigen Straßenecke in Berlin tausend Euro an zufällig vorbeikommende Passanten, so wandert das Geld mit ziemlicher Sicherheit an multinationale Konzerne wie Nike, Coca-Cola und McDonalds und von dort in die internationalen Finanzmärkte. Das Geld fließt dorthin, wo es sich am besten vermehren lässt und ist damit für die lokale Ökonomie, für die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Region verloren. Das gleiche geschieht mit gespartem Geld, das bei überregionalen Banken angelegt wird. "Allein die Volksrepublik China, Hongkong und Taiwan zusammen zogen 2003 fast 70 Prozent des gesamten internationalen Investitionskapitals an. Es ist also wahrscheinlich, dass (...) auch die Städte, die sich nicht in Billigstlohnländern befinden, mit ihren Spareinlagen ihre eigene Arbeitslosigkeit, den Abfluss von Geld und die Abwanderung von Betrieben in diese Länder mitfinanzieren. Und das wird so bleiben – bis zur Einführung und breiten Nutzung eigener Regionalwährungen. Denn nur dadurch, dass der Abfluss finanziell mit Kosten verbunden wird, kann das Geld aus der Region wieder in die Region investiert werden." (Kennedy & Lietaer, Regionalwährungen, S. 100f)
An diesem Punkt setzt der BERLINER Wertgutschein an. Verbraucher und Gewerbetreibende können mit ihm die lokalen und regionalen Wirtschaftskreisläufe und Beziehungen fördern und damit die Kleinwirtschaft stärken und vielfache Lebensqualität erhalten. Eine stärker lokal orientierte Wirtschaft hätte zahlreiche positive Auswirkungen für alle Beteiligten.
Ein paar Beispiele: Der ökologisch zerstörerische Fernverkehr würde abnehmen, der Nahverkehr würde wieder gestärkt. Damit könnte der wachsende und immer teurer werdende Erdölverbrauch erheblich reduziert werden, es könnten zudem abgasfreie Elektroautos mit kurzer Reichweite eingesetzt werden. Regenerative umweltschonende Energieerzeugung würde gestärkt, fossile dagegen zurückgedrängt (in der Uckermark erzeugte Windenergie könnte prinzipiell mit BERLINER bezahlt werden, im Ruhrgebiet erzeugter Kohlestrom dagegen nicht).
Darüber hinaus: Die Regional- und Kleinwirtschaft bliebe erhalten, Arbeitsplätze vor Ort würden geschaffen. Der ruinöse weltweite Standortwettbewerb würde entfallen und mit ihm ein blinder Mechanismus, der den Ego-Wahn, die Profitgier und das Konkurrenzdenken unter den Menschen befördert. Die "Planierraupe" könnte gestoppt werden.
Gegenseitige Abhängigkeit kann auf regionaler Ebene viel unmittelbarer erfahren werden. Es ist auf dieser Ebene einfacher, die Wirkungen seiner eigenen ökonomischen Handlungen zu überblicken und achtsam mit seiner Umwelt umzugehen. Unternehmer hätten es ohne anonyme Konkurrenz und anonyme Shareholder im Nacken leichter, eine Betriebspolitik im Interesse der Angestellten, der Kunden und dem Rest der Gesellschaft (zu der wir auch nicht-menschliche Lebewesen zählen) zu betreiben. Für die Beschäftigten wäre es einfacher, ihre kollektiven Interessen zu vertreten, da sich auf regionaler Ebene persönliche Beziehungen und Solidarität entwickeln könnten. Kunden und Konsumenten könnten ihre Interessen unmittelbar gegenüber dem Produzenten vertreten. Die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards könnte von der Gemeinschaft sehr viel leichter eingefordert und überwacht werden.
Befürworter der wirtschaftlichen Globalisierung argumentieren, dass internationale Märkte gerade wegen des Lohngefälles (gegenüber den "reichen" Ländern) den "armen" Ländern zu Gute kämen, weil die Menschen dort Zugang zu Arbeit und Lohn bekämen. Die Einführung von Regionalwährungen sei deshalb ein Versuch von "Besitzstandswahrern" in den Industrieländern, ihre Privilegien gegenüber den Menschen in den Entwicklungsländern zu sichern.
Doch es ist wenig überzeugend zu glauben, dass das, was die Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern wirklich brauchen, die Möglichkeit ist, Geld in internationalen Agrarkonzernen zu verdienen, um sich dann bei Coca Cola und McDonalds Essen kaufen zu können. Viel sinnvoller wäre es wohl für sie, die Möglichkeit zu erlangen, auf regionaler Ebene ihre eigenen Lebensmittel zu produzieren. Genau dies wird aber durch die Kontrolle der Landwirtschaft durch internationale Konzerne verhindert, die in solchen Globalisierungsprozessen die einzigen Gewinner sind.
Regionalisierung der Landwirtschaft in den Industrieländern führt zum Wegfall von Absatzmärkten für Produkte der internationalen Agrarkonzerne und schwächt damit auch ihre Stellung in den armen Ländern, was wiederum dort die Stärkung und Regionalisierung der eigenen Landwirtschaft ermöglicht. Die Reregionalisierung der Landwirtschaft kommt also sowohl den Menschen in den "reichen" wie auch in den "armen" Ländern zugute. Ihre Globalisierung dient stattdessen ausschließlich den globalen Konzernen. Und diese entziehen sich zumeist auch noch jedes Steuer-, Sozial-, Kultur- und Umweltbeitrags für die Regionen.
Wie funktioniert der BERLINER Wertgutschein?
Verbraucher tauschen bei den Ausgabestellen oder im Rahmen eines Abonnements Euro gegen BERLINER Wertgutscheine. Ein BERLINER hat die Kaufkraft eines Euro. Bei einem Eintausch von 50 € werden als Einsteigerbonus 51 BERLINER, für 100 Euro 102 BERLINER ausgegeben. Die eingetauschten Euro werden auf einem Treuhandkonto der ethisch-ökologischen orientierten GLS Bank verwaltet.
Mit dem BERLINER Wertgutschein können Verbraucher in teilnehmenden Stadtteil-Geschäften und auf Märkten einkaufen. Gewerbetreibende verwenden die Gutscheine entweder selbst innerhalb des BERLINER Gutschein-Netzwerks oder tauschen sie in Euro zurück. Beim Rücktausch werden 95 % der Tauschsumme in Euro ausgezahlt, 5 % fließen an gemeinnützige Projekte in der Region und in den Einsteigerbonus. Zur Unterstützung wurden bisher zwei Vereine ausgewählt, die sich für eine bessere Lebensqualität im Prenzlauer Berg einsetzen: Die Grüne Liga Berlin e.V. als Träger des Projektes BERLINER Wertgutschein und Kolle 37 e.V., ein Projekt für Kinder mit Abenteuerspielplatz, Handwerksangebot und sozialen Einrichtungen. Die Rücktauschgebühr soll die Gutscheinnutzer motiviereren, den BERLINER im Netzwerk weiter zu verwenden und innerhalb des Stadtteils oder der Region umlaufen zu lassen.
Die Gutscheine sind anfangs sechs Monate gültig. Nach Ablauf können sie in neue Gutscheine umgetauscht werden. Dafür wird eine 2%ige Umlaufsicherungsgebühr pro Quartal erhoben. Das soll dazu ermuntern, die Gutscheine einzusetzen und sie nicht zurückzuhalten.
Beide von uns vorgestellten Projekte, www.sanghanetz.de wie auch BERLINER Wertgutschein bemühen sich vor einem ethischen Hintergrund um Vernetzung und Zusammenarbeit auf lokaler und regionaler Ebene. Man kann sie daher als Bausteine eines evolutionären Gegenentwurfs zur wirtschaftlichen Globalisierung betrachten.
Der trügerische Wert des Geldes
Ein möglicher Einwand gegen den BERLINER Wertgutschein könnte sein, dass dieser eine Währung, also Geld ist. Und als Buddhisten stehen wir Geld grundsätzlich skeptisch gegenüber. Es ist normalerweise nicht unser Anliegen, uns für Geld zu engagieren. Buddha wollte z.B. nicht, dass seine Mönche und Nonnen überhaupt Geld annehmen oder gar berühren, geschweige denn ansammeln. Es soll nichts Fremdes, Begierde weckendes, Täuschendes zwischen dem Geber und dem Empfänger stehen. Heute jedoch, in unserer stark arbeitsteilig organisierten Gesellschaft mit vielen unterschiedlichen Bedürfnissen ist es gar nicht möglich, ohne Geld auszukommen. In jedem Falle sind wir am Geldverkehr beteiligt.
Dennoch können wir unser Bewusstsein dafür schärfen, dass in unserer Gesellschaft zwar der Wert von Gütern und Dienstleistungen in Geld bemessen wird, Geld aber in Wirklichkeit eine Grundlage für Illusion, ja selbst Illusion ist. Es täuscht uns Wert, Begehrenswertes vor.
Der Wirtschaftsprofessor Karl-Heinz Brodbeck erklärt in seinem Buch Buddhistische Wirtschaftsethik: "Wenn sich durch eine neue Technik, veränderte Präferenzen im Konsum oder äußere Einflüsse (steigende Rohstoffpreise, veränderte Wechselkurse usw.) die Preise ändern, dann zeigt sich, dass der Wert der Güter durch die wechselseitige Verflechtung der Märkte und Produktionsprozesse bedingt ist. Maschinen, die im Vorjahr noch als wertvoller Bestand verbucht wurden, können durch eine technische Neuerung über Nacht wertlos werden. Daran erkennt man, dass es keinen inneren ökonomischen Wert der Dinge gibt. Der Wert ist reine Funktion:" (Brodbeck, Buddhistische Wirtschaftsethik, Aachen 2002, S. 60, Hervorhebungen vom Autor).
Brodbeck beschreibt den Grundbegriff des "Wertes" in der Wirtschaft als Verblendungsprozess und "dynamischen Schein", der allerdings die Grundlage für weltumspannende Investitionsentscheidungen bildet und damit das Einkommen und Leben von Milliarden Menschen bestimmt. Karl-Heinz Brodbeck fordert: "Eine stabile, das Leiden weitgehend einschränkende soziale Ordnung darf nicht auf einer Fiktion gegründet sein. Die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen verlieren erst dann ihren fiktiven Charakter, wenn sie nicht primär von mechanischen Geldfunktionen, sondern vom direkten Kontakt, vom vernünftigen Dialog getragen werden. Deshalb haben Buddhisten immer dafür plädiert, ökonomische Beziehungen klein und überschaubar zu halten. Die Stabilität eines ökonomischen Systems erwächst aus einer Vielzahl direkter menschlicher Kontakte, nicht aus der Abstraktion von Vertrags- und Marktbeziehungen." (Brodbeck, Buddhistische Wirtschaftsethik, Aachen 2002, S. 58, Hervorhebungen vom Autor)
Geld und Ethik
Wenn wir also nicht umhin kommen, Güter oder Dienstleistungen zu kaufen oder zu verkaufen, sollten wir den BERLINER Wertgutschein dem Euro vorziehen. Im Gegensatz zum Euro kann der BERLINER kaum zu spekulativen, zerstörerischen Aktivitäten eingesetzt werden, er kommt ohne Ungleichheit fördernden Zins aus und er regt bewusstes individuelles (Konsum-)Verhalten an.
Wir halten es darüber hinaus für ratsam, dass wir als Buddhistinnen und Buddhisten die Prinzipien der gewaltfreien Ethik des Buddha in das BERLINER Gutschein-Netzwerk einbringen und dafür Sorge tragen, dass die daran beteiligten wirtschaftlich Handelnden sich an den Grundsätzen der Gewaltlosigkeit, Toleranz und Achtung gegenüber allem Lebendigen orientieren. So wäre es für uns z.B. nicht tragbar, wenn mit dem BERLINER Waffen, Sexgeschäfte oder Drogen gehandelt werden könnten. Zudem ist es uns ein Anliegen, dass der BERLINER nicht zu einem falschen Lokalpatriotismus oder gar Nationalismus beiträgt, indem etwa nur "deutsche" Einwohner der Stadt den Wertgutschein als ihr Zahlungsmittel betrachten. Vielmehr sollten die Angehörigen aller hier lebenden ethnischen Gruppen beteiligt werden. Auf diese Weise kann der BERLINER auch zur konkreten Integration von Menschen aus anderen Herkunftsländern beitragen.
Da die Idee Regionalwährung und das BERLINER Gutschein-Netzwerk auch besonders von christlichen Gruppen unterstützt wird, könnte unsere Beteiligung zudem den interreligiösen Dialog fördern. Der Dalai Lama hat oft angeregt, dass Buddhisten vom sozialen Engagement der Christen lernen sollten, und deswegen überlassen wir ihm das letzte Wort:
"Liebe zu anderen und der Respekt vor ihrer Würde und ihren Rechten, gleichgültig wer oder was sie sind, das ist letztlich alles, was wir brauchen. Und wenn wir das in unserem Alltag praktizieren, dann spielt es keine Rolle, ob wir gebildet oder ungebildet sind, ob wir an Buddha oder an Gott glauben, ob wir überhaupt einer Religion anhängen oder nicht – solange wir Mitgefühl zeigen und uns aus Verantwortungsbewusstsein selbst beschränken, werden wir glücklich sein." (Dalai Lama, Das Buch der Menschlichkeit, S. 251f, Bergisch Gladbach 2000)
Arbeitskreis Buddhismus und Ökonomie" Berlin, August 2004
Internetseiten:
www.buddhistische-akademie.de
www.sanghanetz.de
Prof. Karl-Heinz Brodbeck
www.berliner-regional.de
www.berliner-sozialbuendnis.de
Buddhanetz [Stand: Oktober 2004]
Buddhismus, das Sanghanetz und der BERLINER
Alternativen zum allgemeinen Sozial- und Politikfrust
"Arbeitskreis Buddhismus und Ökonomie" in der Buddhistischen Akademie Berlin:
Die wechselseitige Abhängigkeit aller Wesen, Dinge und Phänomene gehört zu den grundlegenden Einsichten des Buddhismus. Darum sieht er das Ich, im Sinne einer vom "Rest der Welt" getrennten, dauerhaften, aus sich und für sich existierenden Einheit, als eine Täuschung. Diese Illusion - lehrt Buddha - ist die Quelle vielfältigen Leidens der Menschen und anderer Lebewesen.
Buddha gewann seine Erkenntnisse vor 2500 Jahren noch in lokalen, überschaubaren Zusammenhängen. Helena Norberg-Hodge, die Leiterin der International Society for Ecology and Culture verweist darauf, dass es damals einfacher war, die universelle Abhängigkeit der Lebewesen wahrzunehmen und das Zusammenwirken von Mensch, Kultur und Natur zu begreifen: "Tatsächlich handelt der Buddhismus vom Leben. Er handelt vom ununterbrochenen Wandel in den Naturkreisläufen: Geburt und Tod, Freude und Leid, eine sich öffnende Blüte, das Zu- und Abnehmen des Mondes; er handelt von der Vergänglichkeit und wechselseitigen Abhängigkeit, die alles Leben charakterisieren." (Helena Norberg-Hodge, Buddhism in the Global Economy, Internet-Text, eigene Übers.; S. 1f)
Heute dagegen prägen Hochtechnologie, globale Wirtschaftsstrukturen und eine umfassende Medienbeeinflussung unser Leben. Das lässt uns die Folgen unseres Denkens und Handelns für Natur und Menschen kaum mehr wahrnehmen. Der Ökonom E.F. Schumacher warnte 1973 in seinem berühmt gewordenen Buch "Small is beautiful": "Die Ökonomie des Gigantismus und der Automation ist ein Überbleibsel der Bedingungen und des Denkens im 19. Jahrhundert. Sie ist total unfähig, auch nur eines der wirklichen Probleme von heute zu lösen." (E.F. Schumacher, Small is beautiful, 1973, S. 74). Schumacher mahnte, sich im Kampf gegen Elend und Erniedrigung nicht auf Staaten, Konzerne und andere anonyme Institutionen zu stützen, sondern stattdessen unmittelbar an den Erfahrungen, dem Wissen, den Bedürfnissen und der Selbstverantwortung der lokalen Bevölkerung anzuknüpfen. Er forderte eine Rückkehr der Wirtschaft, Technologie und Politik zum menschlichen Maß. Vor ihm hatte schon der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Leopold Kohr die von immer neuen Katastrophen geprägte Ausweglosigkeit der Großökonomie analysiert und vorhergesagt.
Die wechselseitige Abhängigkeit und die Krise
Wenn das Ich als eine vom "Rest der Welt" getrennte, dauerhafte Einheit eine leiderzeugende Täuschung ist, kann es uns nicht gleichgültig sein, was in der Stadt passiert, in der wir leben. Wenn wir in Berlin U-Bahn fahren oder durch die Straßen gehen, nehmen wir die Krise überall wahr: immer mehr Menschen sind obdachlos und betteln. Sozialverbände stellen fest, dass zunehmend Jugendliche darunter sind. Ganze Bezirke rund um die Innenstadt sind auf dem Weg der Verödung und Verslumung. Große Handels- und Dienstleistungsketten verdrängen die kleineren Läden und Gewerbetreibenden, Besserverdienende ziehen weg. Nach dem Sozialatlas 2003 des Senats (im Internet zu finden unter: www.berlin.de/sengsv) leben heute in Berlin 533 000 Menschen unter der Armutsgrenze. Jeder sechste Einwohner hat weniger als 608 Euro netto im Monat, ab Januar 2005 – dem Inkrafttreten des "Hartz 4"-Gesetzes – wird dem Berliner Sozialbündnis zufolge jeder vierte Einwohner arm sein.
Armut, solange sie nicht selbst gewählt ist, bedeutet Leiden. Armut grenzt aus, erzeugt Angst und Frustration, Wut und Hass, belastet die Familien, bereitet den Boden für Gewalt, Kriminalität, Fanatismus, Fundamentalismus, soziale und rassistische Spannungen (auf all das hatte Buddha schon vor 2500 Jahren hingewiesen). Außerdem macht Armut krank: Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt in Kreuzberg bei 74,7 Jahren, im wohlhabenden Treptow dagegen bei 79,2 Jahren.
Berlin verfügt über immer weniger Geld, um den armen Einwohnern noch ein Leben in Würde zu gewähren. Die BVG (Berliner Verkehrsgesellschaft) hat inzwischen sogar das Sozialticket gestrichen. Bedürftige zahlen für eine Monatskarte statt 20 € jetzt 64 €. Das ist eine Preissteigerung von mehr als 200 %. Auch die Eintrittspreise der öffentlichen Bäder sind in den vergangenen Jahren massiv erhöht worden.
Für die Verarmung der Menschen in Berlin und die Ebbe in den Stadt- und Staatskassen gibt es eine Reihe von Gründen: darunter der unbewältigte Umbruch nach 1989 von einem Industrie- zu einem Dienstleistungsstandort, Missmanagement und Veruntreuung von Steuergeldern durch Politiker und Banker, Wegfall von Unternehmenssteuereinnahmen aufgrund einer nur die Reichen begünstigenden Steuergesetzgebung, übermäßige Verschuldung und nicht zuletzt die wirtschaftliche Globalisierung mit ihrem gnadenlosen Konkurrenzkampf und dem Export von Arbeitsplätzen an "attraktivere" Standorte.
Der Soziologe Mohssen Massarat verwendet für die Krise das Bild einer "imaginären Planierraupe, die auf einer schiefen Ebene des globalen Lohngefälles unterwegs ist und dabei alle politischen und moralischen Schranken niederreißt. Die Liberalisierung der Finanzmärkte, die Privatisierung und Deregulierung aller Lebensbereiche beschleunigen das Tempo dieser Mega-Maschine zusätzlich. (...) Diese Mega-Maschine ist Metapher für eine unsichtbare Diktatur der Reichen, eines neuen Typs kapitalistischer Akkumulation, die für Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung in den Industrieländern, sowie die Hungerlöhne in der Dritten Welt sorgt. Fast unbemerkt zerstört sie demokratische Errungenschaften. Diese Diktatur ist wirkungsvoll und blockiert nicht nur die Weiterentwicklung von Gerechtigkeit und Demokratie, sondern spült deren bis dato aufgebaute Fundamente schleichend weg." (Freitag 15/2004)
Es fällt nicht schwer, den Treibstoff der "Mega-Maschine" auszumachen: Ego-Wahn, Geld- und Profitgier, Konkurrenzdenken und die Herrschaft extremer Ideologien (wie die des Neoliberalismus). "Gier, Hass und Verblendung" sind jene drei Faktoren, die Buddha bereits vor 2500 Jahren die "drei Geistesgifte" nannte und als "Ursache allen Leids" sah. Eben diese beherrschen heute nahezu unsere gesamte Weltzivilisation und zunehmend alle Bereiche der Gesellschaft. Buddhistinnen und Buddhisten können darum dazu beitragen, diesen Prozess zu durchschauen und bei der Suche nach Lösungen zu helfen.
Was kann getan werden?
In den alten Kulturen, so schreiben die Ökonomen Margrit Kennedy und Bernard A. Lietaer in ihrem neuen Buch "Regionalwährungen", griffen die Menschen auf zwei Wege zurück, um ihre Angst vor Naturkatastrophen einzudämmen: Zum einen personifizierten sie die Naturgewalten als Götter, die sie anbeten konnten. Zum anderen bildeten sie Gemeinschaften, um den Wechselfällen des Lebens nicht allein ausgeliefert zu sein. Auch heute ängstigen wir uns vor Kräften, die wir nicht kontrollieren können: Arbeitslosigkeit, Verarmung, Klimawechsel, Globalisierung. Doch wir sind "nicht mehr in der Lage, diese Ängste in die Sprache des Mythos zu kleiden, um sie zu begreifen und so ihrer Herr zu werden. Unsere moderne Gesellschaft hat darüber hinaus das Leben in der Gemeinschaft aufgegeben, was für die Menschen noch vor ein oder zwei Generationen undenkbar war." (Kennedy & Lietaer: Regionalwährungen, München 2004, S. 19)
In Berlin entstehen derzeit zwei Modelle für mehr gegenseitige Hilfe und Verantwortung in Zeiten der Vereinzelung und Verarmung, die wir den Berliner Buddhistinnen und Buddhisten vorstellen und empfehlen möchten.
www.sanghanetz.de
Das "Sanghanetz" ist ein von zwei tibetisch-buddhistischen Zentren initiierter Internet-basierter Kooperationsring für Buddhistinnen und Buddhisten in Berlin und Brandenburg. Das Sanghanetz (Sangha: traditioneller buddhistischer Begriff für Gemeinschaft) will erreichen, dass das große Potential an Fähigkeiten und Möglichkeiten in den zahlreichen buddhistischen Gemeinschaften der Hauptstadtregion intensiver entfaltet und genutzt wird. Das Netzwerk möchte die gegenseitige Hilfe unter den Berliner Buddhisten erleichtern. Ziel ist, dass über die Beziehungen innerhalb der einzelnen Gruppen und Gemeinschaften hinaus jene Menschen zusammenkommen können, die einander auf irgendeine Weise hilfreich sein können. Das Internet-Anzeigenforum soll ermöglichen, die nötigen Kontakte zu knüpfen – sei es für praktische Belange, Studium, Arbeit, gemeinsames Wohnen oder was auch immer. Derzeit sucht Sanghanetz noch Betreuer für die buddhistischen Zentren bzw. die Gruppen, die für alle Personen ohne Internetzugang deren Anzeigen erfassen. Aufgabe der Betreuer wäre auch, wöchentlich Listen der aktuellen Einträge in "ihren" Zentren auszuhängen. Interessierte werden gebeten, sich über die Kontaktseite www.sanghanetz.de zu melden.
Der BERLINER Wertgutschein
Der BERLINER Wertgutschein ist ein Projekt, das in größerem Maßstab gesellschaftlich wirksam werden möchte. Der BERLINER soll Anfang Oktober zunächst rund um den Kollwitzplatz im Bezirk Prenzlauer Berg eingeführt und sukzessive dann auf ganz Berlin und Brandenburg ausgeweitet werden.
Der BERLINER Wertgutschein ist eine Komplementärwährung bzw. ein Regiogeld. Das Konzept der Regional- oder Komplementärwährungen beruht auf der Einschätzung, dass das System der Standardwährungen wie Euro, Dollar oder Yen zunehmend die Einkommensunterschiede verschärft, das gewachsene soziale Kapital (gemeinnützige und soziale Einrichtungen, Kultur, Bildung) zerstört und die globale Spekulation fördert. "Die negativen Seiten der Standardwährung können jedoch nicht innerhalb des Systems selbst korrigiert werden. Ein Komplementärwährungssystem aber, das auf völlig unterschiedlichen Prinzipien beruht (keine Zinsen, lokale und regionale Organisationsstruktur, Förderung des Sozialkapitals und basisdemokratische Entscheidungen), wäre genau dazu in der Lage." (Kennedy & Litaer, Regionalwährungen, München 2004, S. 75)
In den vergangenen zwanzig Jahren stieg die Zahl der Komplementärwährungen weltweit von nahe Null auf über 4000; die meisten – rund 250 – wurden in Japan eingeführt, nachdem das Land Anfang der 1990er Jahre von einer massiven Wirtschaftskrise erschüttert wurde. Das gleiche geschah in den letzten Jahren in Argentinien, nachdem es auf Grund der Politik des Internationalen Währungsfonds (IWF) in den Staatsbankrott geführt wurde. In Deutschland entstand die erste Regionalwährung 2002 im bayrischen Chiemgau. Der "Chiemgauer" hat inzwischen unter Namen wie: "Roland", "Sterntaler", "Kann-Was" usw. in 30 deutschen Gemeinden Nachfolger gefunden.
Angesichts der sich verschärfenden Arbeitslosigkeit und des Abbaus des Sozialstaats breitet sich die Idee der Komplementärwährungen – von den Medien weitgehend ignoriert – schneeballartig immer weiter aus, denn sie ist derzeit die einzig funktionierende Antwort und Alternative zur herrschenden Politik der neoliberalen Globalisierung der Megaökonomie.
Der BERLINER Wertgutschein soll den Euro ergänzen und nur in der Region Berlin-Brandenburg zirkulieren. Der Grund für die Beschränkung auf die Region ist, dass als Folge der wirtschaftlichen Globalisierung immer mehr Geld aus den für Kapitalverwertungsinteressen weniger lukrativen Regionen weggepumpt wird, wo es dann fehlt und zur allgemeinen Verarmung und Verödung führt.
Ein Beispiel: Verschenkt man an einer beliebigen Straßenecke in Berlin tausend Euro an zufällig vorbeikommende Passanten, so wandert das Geld mit ziemlicher Sicherheit an multinationale Konzerne wie Nike, Coca-Cola und McDonalds und von dort in die internationalen Finanzmärkte. Das Geld fließt dorthin, wo es sich am besten vermehren lässt und ist damit für die lokale Ökonomie, für die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Region verloren. Das gleiche geschieht mit gespartem Geld, das bei überregionalen Banken angelegt wird. "Allein die Volksrepublik China, Hongkong und Taiwan zusammen zogen 2003 fast 70 Prozent des gesamten internationalen Investitionskapitals an. Es ist also wahrscheinlich, dass (...) auch die Städte, die sich nicht in Billigstlohnländern befinden, mit ihren Spareinlagen ihre eigene Arbeitslosigkeit, den Abfluss von Geld und die Abwanderung von Betrieben in diese Länder mitfinanzieren. Und das wird so bleiben – bis zur Einführung und breiten Nutzung eigener Regionalwährungen. Denn nur dadurch, dass der Abfluss finanziell mit Kosten verbunden wird, kann das Geld aus der Region wieder in die Region investiert werden." (Kennedy & Lietaer, Regionalwährungen, S. 100f)
An diesem Punkt setzt der BERLINER Wertgutschein an. Verbraucher und Gewerbetreibende können mit ihm die lokalen und regionalen Wirtschaftskreisläufe und Beziehungen fördern und damit die Kleinwirtschaft stärken und vielfache Lebensqualität erhalten. Eine stärker lokal orientierte Wirtschaft hätte zahlreiche positive Auswirkungen für alle Beteiligten.
Ein paar Beispiele: Der ökologisch zerstörerische Fernverkehr würde abnehmen, der Nahverkehr würde wieder gestärkt. Damit könnte der wachsende und immer teurer werdende Erdölverbrauch erheblich reduziert werden, es könnten zudem abgasfreie Elektroautos mit kurzer Reichweite eingesetzt werden. Regenerative umweltschonende Energieerzeugung würde gestärkt, fossile dagegen zurückgedrängt (in der Uckermark erzeugte Windenergie könnte prinzipiell mit BERLINER bezahlt werden, im Ruhrgebiet erzeugter Kohlestrom dagegen nicht).
Darüber hinaus: Die Regional- und Kleinwirtschaft bliebe erhalten, Arbeitsplätze vor Ort würden geschaffen. Der ruinöse weltweite Standortwettbewerb würde entfallen und mit ihm ein blinder Mechanismus, der den Ego-Wahn, die Profitgier und das Konkurrenzdenken unter den Menschen befördert. Die "Planierraupe" könnte gestoppt werden.
Gegenseitige Abhängigkeit kann auf regionaler Ebene viel unmittelbarer erfahren werden. Es ist auf dieser Ebene einfacher, die Wirkungen seiner eigenen ökonomischen Handlungen zu überblicken und achtsam mit seiner Umwelt umzugehen. Unternehmer hätten es ohne anonyme Konkurrenz und anonyme Shareholder im Nacken leichter, eine Betriebspolitik im Interesse der Angestellten, der Kunden und dem Rest der Gesellschaft (zu der wir auch nicht-menschliche Lebewesen zählen) zu betreiben. Für die Beschäftigten wäre es einfacher, ihre kollektiven Interessen zu vertreten, da sich auf regionaler Ebene persönliche Beziehungen und Solidarität entwickeln könnten. Kunden und Konsumenten könnten ihre Interessen unmittelbar gegenüber dem Produzenten vertreten. Die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards könnte von der Gemeinschaft sehr viel leichter eingefordert und überwacht werden.
Befürworter der wirtschaftlichen Globalisierung argumentieren, dass internationale Märkte gerade wegen des Lohngefälles (gegenüber den "reichen" Ländern) den "armen" Ländern zu Gute kämen, weil die Menschen dort Zugang zu Arbeit und Lohn bekämen. Die Einführung von Regionalwährungen sei deshalb ein Versuch von "Besitzstandswahrern" in den Industrieländern, ihre Privilegien gegenüber den Menschen in den Entwicklungsländern zu sichern.
Doch es ist wenig überzeugend zu glauben, dass das, was die Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern wirklich brauchen, die Möglichkeit ist, Geld in internationalen Agrarkonzernen zu verdienen, um sich dann bei Coca Cola und McDonalds Essen kaufen zu können. Viel sinnvoller wäre es wohl für sie, die Möglichkeit zu erlangen, auf regionaler Ebene ihre eigenen Lebensmittel zu produzieren. Genau dies wird aber durch die Kontrolle der Landwirtschaft durch internationale Konzerne verhindert, die in solchen Globalisierungsprozessen die einzigen Gewinner sind.
Regionalisierung der Landwirtschaft in den Industrieländern führt zum Wegfall von Absatzmärkten für Produkte der internationalen Agrarkonzerne und schwächt damit auch ihre Stellung in den armen Ländern, was wiederum dort die Stärkung und Regionalisierung der eigenen Landwirtschaft ermöglicht. Die Reregionalisierung der Landwirtschaft kommt also sowohl den Menschen in den "reichen" wie auch in den "armen" Ländern zugute. Ihre Globalisierung dient stattdessen ausschließlich den globalen Konzernen. Und diese entziehen sich zumeist auch noch jedes Steuer-, Sozial-, Kultur- und Umweltbeitrags für die Regionen.
Wie funktioniert der BERLINER Wertgutschein?
Verbraucher tauschen bei den Ausgabestellen oder im Rahmen eines Abonnements Euro gegen BERLINER Wertgutscheine. Ein BERLINER hat die Kaufkraft eines Euro. Bei einem Eintausch von 50 € werden als Einsteigerbonus 51 BERLINER, für 100 Euro 102 BERLINER ausgegeben. Die eingetauschten Euro werden auf einem Treuhandkonto der ethisch-ökologischen orientierten GLS Bank verwaltet.
Mit dem BERLINER Wertgutschein können Verbraucher in teilnehmenden Stadtteil-Geschäften und auf Märkten einkaufen. Gewerbetreibende verwenden die Gutscheine entweder selbst innerhalb des BERLINER Gutschein-Netzwerks oder tauschen sie in Euro zurück. Beim Rücktausch werden 95 % der Tauschsumme in Euro ausgezahlt, 5 % fließen an gemeinnützige Projekte in der Region und in den Einsteigerbonus. Zur Unterstützung wurden bisher zwei Vereine ausgewählt, die sich für eine bessere Lebensqualität im Prenzlauer Berg einsetzen: Die Grüne Liga Berlin e.V. als Träger des Projektes BERLINER Wertgutschein und Kolle 37 e.V., ein Projekt für Kinder mit Abenteuerspielplatz, Handwerksangebot und sozialen Einrichtungen. Die Rücktauschgebühr soll die Gutscheinnutzer motiviereren, den BERLINER im Netzwerk weiter zu verwenden und innerhalb des Stadtteils oder der Region umlaufen zu lassen.
Die Gutscheine sind anfangs sechs Monate gültig. Nach Ablauf können sie in neue Gutscheine umgetauscht werden. Dafür wird eine 2%ige Umlaufsicherungsgebühr pro Quartal erhoben. Das soll dazu ermuntern, die Gutscheine einzusetzen und sie nicht zurückzuhalten.
Beide von uns vorgestellten Projekte, www.sanghanetz.de wie auch BERLINER Wertgutschein bemühen sich vor einem ethischen Hintergrund um Vernetzung und Zusammenarbeit auf lokaler und regionaler Ebene. Man kann sie daher als Bausteine eines evolutionären Gegenentwurfs zur wirtschaftlichen Globalisierung betrachten.
Der trügerische Wert des Geldes
Ein möglicher Einwand gegen den BERLINER Wertgutschein könnte sein, dass dieser eine Währung, also Geld ist. Und als Buddhisten stehen wir Geld grundsätzlich skeptisch gegenüber. Es ist normalerweise nicht unser Anliegen, uns für Geld zu engagieren. Buddha wollte z.B. nicht, dass seine Mönche und Nonnen überhaupt Geld annehmen oder gar berühren, geschweige denn ansammeln. Es soll nichts Fremdes, Begierde weckendes, Täuschendes zwischen dem Geber und dem Empfänger stehen. Heute jedoch, in unserer stark arbeitsteilig organisierten Gesellschaft mit vielen unterschiedlichen Bedürfnissen ist es gar nicht möglich, ohne Geld auszukommen. In jedem Falle sind wir am Geldverkehr beteiligt.
Dennoch können wir unser Bewusstsein dafür schärfen, dass in unserer Gesellschaft zwar der Wert von Gütern und Dienstleistungen in Geld bemessen wird, Geld aber in Wirklichkeit eine Grundlage für Illusion, ja selbst Illusion ist. Es täuscht uns Wert, Begehrenswertes vor.
Der Wirtschaftsprofessor Karl-Heinz Brodbeck erklärt in seinem Buch Buddhistische Wirtschaftsethik: "Wenn sich durch eine neue Technik, veränderte Präferenzen im Konsum oder äußere Einflüsse (steigende Rohstoffpreise, veränderte Wechselkurse usw.) die Preise ändern, dann zeigt sich, dass der Wert der Güter durch die wechselseitige Verflechtung der Märkte und Produktionsprozesse bedingt ist. Maschinen, die im Vorjahr noch als wertvoller Bestand verbucht wurden, können durch eine technische Neuerung über Nacht wertlos werden. Daran erkennt man, dass es keinen inneren ökonomischen Wert der Dinge gibt. Der Wert ist reine Funktion:" (Brodbeck, Buddhistische Wirtschaftsethik, Aachen 2002, S. 60, Hervorhebungen vom Autor).
Brodbeck beschreibt den Grundbegriff des "Wertes" in der Wirtschaft als Verblendungsprozess und "dynamischen Schein", der allerdings die Grundlage für weltumspannende Investitionsentscheidungen bildet und damit das Einkommen und Leben von Milliarden Menschen bestimmt. Karl-Heinz Brodbeck fordert: "Eine stabile, das Leiden weitgehend einschränkende soziale Ordnung darf nicht auf einer Fiktion gegründet sein. Die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen verlieren erst dann ihren fiktiven Charakter, wenn sie nicht primär von mechanischen Geldfunktionen, sondern vom direkten Kontakt, vom vernünftigen Dialog getragen werden. Deshalb haben Buddhisten immer dafür plädiert, ökonomische Beziehungen klein und überschaubar zu halten. Die Stabilität eines ökonomischen Systems erwächst aus einer Vielzahl direkter menschlicher Kontakte, nicht aus der Abstraktion von Vertrags- und Marktbeziehungen." (Brodbeck, Buddhistische Wirtschaftsethik, Aachen 2002, S. 58, Hervorhebungen vom Autor)
Geld und Ethik
Wenn wir also nicht umhin kommen, Güter oder Dienstleistungen zu kaufen oder zu verkaufen, sollten wir den BERLINER Wertgutschein dem Euro vorziehen. Im Gegensatz zum Euro kann der BERLINER kaum zu spekulativen, zerstörerischen Aktivitäten eingesetzt werden, er kommt ohne Ungleichheit fördernden Zins aus und er regt bewusstes individuelles (Konsum-)Verhalten an.
Wir halten es darüber hinaus für ratsam, dass wir als Buddhistinnen und Buddhisten die Prinzipien der gewaltfreien Ethik des Buddha in das BERLINER Gutschein-Netzwerk einbringen und dafür Sorge tragen, dass die daran beteiligten wirtschaftlich Handelnden sich an den Grundsätzen der Gewaltlosigkeit, Toleranz und Achtung gegenüber allem Lebendigen orientieren. So wäre es für uns z.B. nicht tragbar, wenn mit dem BERLINER Waffen, Sexgeschäfte oder Drogen gehandelt werden könnten. Zudem ist es uns ein Anliegen, dass der BERLINER nicht zu einem falschen Lokalpatriotismus oder gar Nationalismus beiträgt, indem etwa nur "deutsche" Einwohner der Stadt den Wertgutschein als ihr Zahlungsmittel betrachten. Vielmehr sollten die Angehörigen aller hier lebenden ethnischen Gruppen beteiligt werden. Auf diese Weise kann der BERLINER auch zur konkreten Integration von Menschen aus anderen Herkunftsländern beitragen.
Da die Idee Regionalwährung und das BERLINER Gutschein-Netzwerk auch besonders von christlichen Gruppen unterstützt wird, könnte unsere Beteiligung zudem den interreligiösen Dialog fördern. Der Dalai Lama hat oft angeregt, dass Buddhisten vom sozialen Engagement der Christen lernen sollten, und deswegen überlassen wir ihm das letzte Wort:
"Liebe zu anderen und der Respekt vor ihrer Würde und ihren Rechten, gleichgültig wer oder was sie sind, das ist letztlich alles, was wir brauchen. Und wenn wir das in unserem Alltag praktizieren, dann spielt es keine Rolle, ob wir gebildet oder ungebildet sind, ob wir an Buddha oder an Gott glauben, ob wir überhaupt einer Religion anhängen oder nicht – solange wir Mitgefühl zeigen und uns aus Verantwortungsbewusstsein selbst beschränken, werden wir glücklich sein." (Dalai Lama, Das Buch der Menschlichkeit, S. 251f, Bergisch Gladbach 2000)
Arbeitskreis Buddhismus und Ökonomie" Berlin, August 2004
Internetseiten:
www.buddhistische-akademie.de
www.sanghanetz.de
Prof. Karl-Heinz Brodbeck
www.berliner-regional.de
www.berliner-sozialbuendnis.de
Buddhanetz [Stand: Oktober 2004]
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sangha-gemeinschaft_leben.pdf |